Interview zur Portraitfotografie mit Fotografin Anette Koroll aus Berlin

 

Im Interview zur Portraifotografie: Annette Koroll vom Fotostudio Annette Koroll in Berlin. Das Interview führte für unser Magazin RBB Moderatorin Petra Gute in den Räumlichkeiten des Fotostudios der Fotografin in Berlin.

 

 

Frage: Wann ist ein Porträt für Sie richtig gelungen?

 

Annette Koroll: Ich glaube, wenn man sich nicht gleich nach einer Sekunde sofort das nächste Foto anschaut. Wenn der Blick verweilt – weil man von etwas gefesselt ist. Dann ist ein Foto gut.
Wenn es bei einem etwas auslöst. Wenn es Gefühle auslöst. Dass es einen vielleicht zum Nachdenken bringt, dass man die Person auf dem Foto interessant findet, überlegt, was ist das für ein Mensch, was für einen Hintergrund hat er, was ist das für eine Familie, wie stehen die zueinander, dieses Paar. Es geht nicht darum, eine ganze Geschichte zu erfahren, sondern einfach darüber nachzudenken: was ist das für ein Mensch auf diesem Foto. Darüber möchte ich mehr wissen! Eine Komposition kann ja vielleicht eine Aussage von einem Bild noch unterstützen. Oder vielleicht auch nur einfach eine Spannung geben, und das Bild dadurch interessant machen, dass man es gerne anschaut. Dass das Auge gerne darauf verweilt.

 

Frage: Warum lassen Sie viele Ihrer Fotos so groß drucken?

 

Annette Koroll: Ich finde es einfach schön – wenn man den Platz dazu hat. Weil man gerade bei diesen großen Gesichtern an den Augen wirklich alles erkennt. Man sieht die Iris und die Reflektion der Wimpern im Augapfel. Bei der Haut sieht man jede Pore – das finde ich toll!

 

Frage: Was fotografieren Sie am liebsten?

 

Annette Koroll: Auf jeden Fall Menschen. Und ich fotografiere sehr gerne Kinder. Obwohl das manchmal ganz schön anstrengend sein kann. Aber ich fotografiere vor allem gerne Kinder, weil man nie weiss, was dabei herauskommt. Kinder sind viel spontaner und nicht so berechenbar wie Erwachsene. Meistens geben sie sich natürlicher vor der Kamera. Kinder haben oft einen besonderen Blick. Sie denken noch nicht so viel in dem Moment darüber nach, wie sie wirken – vor der Kamera oder auf andere. Erwachsene denken ständig daran, wie sie jetzt auf andere wirken. Kinder denken nicht so viel darüber nach, ob sie jetzt gerade alles richtig machen.

 

 

Frage:  Warum lächeln Kinder auf Ihren Porträts nicht so viel wie auf denen anderer Fotografen?

 

Annette Koroll: Weil ich es ihnen nicht sage! Ich finde Kindergesichter gerade dann besonders schön, wenn sie nicht lächeln sondern ernst schauen. Meistens sage ich den Kindern gar nicht so viel, wenn ich sie fotografiere, dass sie dies oder das machen sollen – sondern ich sage erstmal gar nichts, und dann ist es ganz interessant, was sie machen. Und wenn sie erstmal gar nichts machen, sondern nur da stehen und ernst geradeaus schauen dann ist das wunderbar. Dann sieht das meistens sehr gut aus. Viele fangen dann auch an, sich hin- und herzudrehen, oder herumzugucken, irgendetwas Spontanes zu machen – und dann ist das auch toll. Nach einiger Zeit sage ich ihnen dann natürlich schon was, manche bewegen sich sonst gar nicht und machen gar nichts weiter – andere rege ich schon mal dazu an, in die Luft zu springen oder mal ein bisschen hin- und herzurennen oder so etwas in der Art. Meistens unterhalte ich mich auch viel mit den Kindern. Dann kommen auf einmal auch so nette Blicke, wenn ich sie zum Beispiel frage, was sie zu Weihnachten bekommen haben oder was sie sich wünschen. Jungs beispielsweise wünschen sich immer irgendwelche Monster und dann schauen sie auf einmal ganz verschmitzt. Das macht schon Spaß.
Bei Erwachsenen ist dieser Prozess ähnlich, aber Kinder sind eben noch unvoreingenommen!

 

Frage: Was lieben Sie bei ihrer Arbeit am meisten?

 

Annette Koroll: Wenn ich am Fotografieren bin, macht das einfach immer wieder sehr großen Spaß – wenn ich dabei merke: es wird gut. Auch wenn man hinterher gemeinsam mit dem Kunden die Fotos anschaut und die Bildauswahl macht und überlegt, was man noch daraus machen könnte, schwarz-weiss oder Farbe und merkt, die Kunden freuen sich und sind happy mit den Fotos: das ist immer ein ganz besonderer Moment. Die meisten Kunden bekommen dabei gerne Ratschläge und fragen mich oft nach meiner Meinung, und ich bin darin ja auch geübt, zu wissen was gut aussieht (lacht). Man muss gar nicht lange bei einem Foto verharren – meistens sieht man es auf den ersten Blick. Die guten Fotos sprechen einen sofort an. Den Rest braucht man dann auch nicht.

 

 

Frage: Wie sind Sie Fotografin geworden?

 

Annette Koroll: Nach dem Abitur habe ich mich entschlossen eine Ausbildung zur Fotografin zu machen. Vor drei Jahren habe ich mich mit meinem eigenen Fotostudio selbständig gemacht, zuvor war ich in einem Porträtstudio angestellt, war in einem Foto-Labor für Bildbearbeitung und Digitaldruck zuständig, war bei einem Architektur- und Werbefotografen beschäftigt und habe auch zu Beginn eine Lehre bei einem Werbefotografen gemacht.

 

Frage: Sie bezeichnen ihre beiden Studios als „minimalistische Fotostudios“. Was bedeutet das in Ihren Augen?

 

Annette Koroll: Natürlich bezieht sich das erstmal auf die Fotografie an sich. Was ich ablehne und auch gar nicht selbst in meinen Studios benutze sind Requisiten.
Mir ist es wichtig, das Wesentlichen zu zeigen: das Gesicht. Den Charakter einzufangen. Ohne viel Tamtam und Drumherum. Das bezieht sich auf das Foto an sich, aber auch mein Laden ist ja schon relativ klar und schlicht gestaltet. Wenn man hereinkommt, sieht man auf den ersten Blick, worauf es mir ankommt: Fotos.
Ich selbst finde es immer ganz schrecklich, mich erstmal durch einen Wust von Informationen durchzukämpfen zu müssen wenn ich irgendeine Auskunft haben will. Preislisten sind ja auch oft so kompliziert gestaltet Auch da versuche ich, so klar, schlicht und einfach wie nur möglich zu sein.
Mir ist Klarheit wichtig. Auch meine Webseite habe ich so gestalten lassen, dass da wenig Text ist sondern vor allem die Bilder wichtig sind. Das alles verstehe ich unter „minimalistisch“. Konzentration auf das Wesentliche und den Rest lieber weglassen.

 

Frage: Hat das auch damit zu tu, dass Sie so gerne schwarz-weiss fotografieren?

 

Annette Koroll: Ja, klar, schwarz-weiss ist natürlich immer weniger als Farbe, ist reduzierter und kann dadurch einfach intensiver sein. Aber ich fotografiere auch gerne in Farbe – auch wenn ich vielleicht ein bisschen mehr schwarz-weiss fotografiere als andere Fotografen. Bei mir werden die Farben oft allerdings etwas blasser gemacht, je nachdem, wie es passt, etwas die Sättigung reduzieren, das sieht meistens sehr gut aus.

 

Frage: Haben Sie ein persönliches Lieblingsfoto?

 

Annette Koroll: Mein Lieblingsfoto hängt in meinem Laden an der Wand in der Knesebeckstrasse. Es ist auch das Foto, von dem die meisten Leute sagen: das ist aber ein tolles Foto. Und ich selbst finde es auch so schön! Es ist ein Foto, das ich mal von meinen Eltern gemacht habe. Es wirkt sehr authentisch. Auf einen Blick sieht man, dass die beiden sich lieben. Meine Eltern hatten vor zwei Jahren Goldene Hochzeit, und da haben sie erzählt, wie sie sich ineinander verliebt haben. Da war meine Mutter 14 und mein Vater war drei Jahre älter. Für beide war es die erste Partnerschaft – und sie sind immer noch zusammen! Beim Fotografieren dieses Fotos habe ich erst gar nicht gemerkt, was für ein schönes Foto das wird…

 

Frage: Obwohl oder vielleicht auch weil Ihre Fotos so klar und schlicht sind, strahlen sie eine ungeheure Intensität aus.
Auf Ihren Fotos sehen die Menschen meist absolut „natürlich“ aus. Wie bekommen Sie das hin?

 

Annette Koroll: Man sieht einem Foto immer an: wirkt das jetzt echt – oder nicht. Vermutlich hat das etwas damit zu tun, wie ich mit den Leuten umgehe. Offenbar fassen die Leute durch meine Art schnell Vertrauen zu mir, und das muss in relativ kurzer Zeit passieren. Es hat schon etwas mit der Art zu tun, wie man Leute bereits begrüßt: sie merken immer schnell, dass ich einfach Lust habe, sie zu fotografieren. Damit werden die Hemmungen, die fast jeder hat, relativ schnell abgebaut.
Wichtig ist mir, auch während des Fotografierens immer mit den Menschen zu reden, auch wenn es sich wie Smalltalk anhören mag. Letztes Jahr war ich in einer beeindruckenden Ausstellung des Fotografen Arnold Newman (einer der einflussreichsten Porträtfotografen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts), der hat tolle Porträts gemacht. Eine Vorgehensweise von ihm war zum Beispiel, erstmal am Anfang einer Fotosession eine ganze Weile mit seiner Technik herumfummeln, und nebenbei sich ein bisschen zu unterhalten, um die Menschen aufzulockern, damit sie gar nicht erst in die Versuchung kommen, ihr „Fotogesicht“ zu machen, oder sich zu verstellen weil sie denken, sie müssten jetzt so oder so wirken.
Es kommt einfach darauf an, den richtigen Draht zu den Menschen zu finden. Vielleicht gehört auch ein bisschen Menschenkenntnis dazu – jeder muß ja irgendwie anders angesprochen werden, und offenbar merke ich das schon gleich am Anfang immer ganz gut. Dazu gehört auch mal, einen Scherz zu machen und ein bisschen lustig zu sein, das lockert die ganze Situation schon mal gleich auf.
Wenn ich beispielsweise Familien fotografiere, und die sollen einfach nicht so gestellt aussehen, dann versuche ich das auch zu machen. Hier gibt es beispielsweise ein Foto, Vater, Mutter, Kind, drei Menschen, die eigentlich einfach nur so stehen. Manchmal habe ich bei Familienfotos schon vorher eine Idee im Kopf. Da stelle ich die Leute dann einfach ein bißchen um – und in diesem Moment entsteht etwas Neues, Unerwartetes. In diesem Fall hat Kind einfach seine Arme nach rechts und links ausgestreckt, eine typisch kindliche Haltung. Ich hatte zu dem Mädchen auch gar nicht gesagt: jetzt mach das mal! Sondern das hat es einfach von ganz alleine gemacht! Und so wird es ein gutes Foto. Weil es einen ungestellten Moment einfängt! Wobei es am Anfang natürlich schon gestellt war, man sieht ja, die Eltern gucken ganz bewusst in die Kamera – aber dieser unerwartete Moment macht eben diesen besonderen Reiz an diesem Bild aus.

 

Frage: Wie „dirigieren“ Sie ihre Kunden, um das Foto zu bekommen, das Sie wollen – oder lassen Sie das ihre Kunden selbst entscheiden? Fotografieren kann ein sehr intimer Moment sein. Wie stellen Sie in kurzer Zeit die Nähe und das Vertrauen her, die es für ein gutes Foto braucht?

 

Annette Koroll: Ich beginne erstmal damit an, meine Kunden in den Raum zu stellen. Damit fange ich an. Und meistens passiert dann irgend etwas – wenn die Kunden gut sind (lacht). Ein magischer Moment. Manchmal blende ich mich in diesen Prozess auch noch mal ein und gebe Anweisungen, sage, mach mal dies, mach mal das. Meist ist es ein Zusammenspiel aus Fotomodell und Fotograf.

 

Frage: Bei dem Berliner Fotografen Jim Rakete beispielsweise darf eine Fotosession höchstens 20 Minuten dauern, sonst, sagt er, sei die Spontaneität verloren. Wie lange dauert eine Fotosession bei Ihnen?

 

Annette Koroll: Ich sehe das anders. Bei mir dauern die Fotosessions unterschiedlich lange, je nachdem, 15 Minuten für so kleinere Serien oder Bewerbungsfotos. Für Porträtfotos nehme ich mir mehr Zeit. Je länger man fotografiert, habe ich festgestellt, desto mehr passiert. Bei mir wie auch bei der Person, die fotografiert wird. Oft ist es wirklich so, dass man immer besser wird und irgendwann der Punkt einsetzt, wo es zu so einem „Flow“ kommt. Das ist etwas ganz Besonderes, das passiert nicht jedes mal, aber oft ist es so, dass es dann immer besser und immer besser wird. Meist, habe ich festgestellt, verkrampft man eher am Anfang.

 

Frage: Thema Bewerbungsfotos
Annette Koroll: Ein gutes Bewerbungsfoto muß nicht so sein, wie viele denken. Zumindest was meinen Geschmack anbelangt (lacht). Ich glaube, dass viele denken, dass man sich nach vorne lehnen sollte undt in die Kamera lächeln. Das finde ich anbiedernd. Ich finde, dass man vor allem gerade sein sollte. Also vor allem erst einmal eine gerade Köperhaltung haben sollte und auch den Kopf nicht so neigen. Schon eher selbstbewusst, aufrecht.
Ich fotografiere meine Kunden für Bwerbungsfotos auch so gut wie immer im Stehen und nicht im Sitzen, weil man dann immer eine andere Haltung hat. Wenn mich dann jemand fragt: „soll ich jetzt lächeln oder lachen oder ernst schauen“ kann ich das erstmal gar nicht beantworten. Ich muß erstmal schauen: was ist das überhaupt für ein Mensch? Ist es eher einer der lacht oder eher einer der generell ernst schaut? Manchmal sehe ich das auch schon an der Art, wie die Kunden in das Studio kommen. Dann weiß ich sofort, wie ich denjenigen fotografieren muss. Meist mache ich vorher ein paar Test-Fotos und dann sehe ich, wie derjenige wirkt und wie er oder sie sich fühlt, und ob sie wirklich lachen wollen. Aber vor allem kommt es darauf an: was ist ehrlich. Ich finde es wichtig, dass man sich nicht verstellt für ein Bewerbungsfoto und irgendetwas darstellt, was man gar nicht ist.

 

Frage: Was bedeuten Ihnen die Augen eines Menschen bei der Fotografie?

 

Annette Koroll: Die Augen sind das Wesentliche. Es ist ja nicht umsonst eine Fotografenregel, dass man auf die Augen scharf stellt. Wenn die Augen nicht scharf sind ist das ganze Bild eigentlich unscharf – egal worauf der Fotograf die Schärfe gelegt hat!
Oft werde ich bei den großen Bildern, vor allem bei den großen Stoffdrucken meiner Fotografien gefragt, was ich bei diesen großen Nahaufnahmen denn mit den Augen gemacht hätte und wie ich die bearbeitet hätte. Es kommt eher auf das Licht an. Wie man die Person beleuchtet spiegelt sich ja in den Pupillen wieder, darin sieht man die großen Weichstrahler und dadurch oft so große weisse Vierecke, die sich in den Pupillen spiegeln – und das wirkt meist sehr schön. Natürlich kommt es auch immer auf die Schärfe des Objektivs und die Schärfe des Drucks an. Ich weiss es oft auch nicht, wie dieser besondere, klare Gesichtsausdruck entsteht, den viele an meinen Fotos loben. Ich selbst könnte auch nicht so gucken (lacht). Eigentlich gucken die ja einfach ganz normal…Aber irgendetwas Besonderes haben diese Porträts schon.

 

Frage: Haben Sie (fotografische) Vorbilder? Wenn ja: welche? Und warum?

 

Annette Koroll: Es gibt viele Fotografen, deren Bilder ich mir immer wieder anschaue. Richard Avedon beispielsweise, Helmut Newton hat tolle Porträts gemacht. Arnold Newman habe ich erst vor kurzem für mich entdeckt, den finde ich toll, der hat auch sehr gute Kompositionen gemacht, seine Porträts sind oft ganz grafisch, da stimmt einfach alles. Aber so ein richtiggehendes Über-Vorbild habe ich eigentlich nicht.

 

Frage: Ansel Adams hat mal gesagt: „You don´t take a photo – you make it“. Sehen Sie das auch so?

 

Annette Koroll: Ansel Adams war ja ein großer Techniker. Bei mir spielt die Technik keine so große Rolle. Sie ist natürlich auch wichtig, aber für mich ist wichtiger, dass das Foto etwas transportiert, ein Gefühl beispielsweise. Und das kann es auch wenn es technisch nicht einwandfrei ist. Andersherum kann ein Foto technisch super sein – aber wenn dabei nichts rüberkommt ist es ein schlechtes Foto!
Ein gutes Foto kann durchaus noch einen Makel in der Technik haben. Manchmal reicht bei diesem “take a photo”-”make a photo” auch ein simples “take” – und es wird trotzdem ein gutes Foto!
Es gibt einen fliessenden Übergang zwischen einem Schnappschuss und einem „richtigen“ Foto. Man muß natürlich bei einem Foto erstmal einfach mit irgend etwas anfangen, etwas aufbauen, sich Gedanken über das Foto machen, das richtige Licht setzen. In dem Moment, wo allerdings so etwas wie ein Schnappschuss entsteht, kann das Licht plötzlich ein bisschen „ verrutscht“ sein oder die Schärfe mal nicht ganz so perfekt – aber trotzdem wird es ein richtig gutes Foto. Oder vielleicht auch gerade deswegen. Es ist vielleicht dann nicht mehr inszeniert – dafür ist es echt. Und vielleicht sogar so etwas wie ein „Schnappschuss“. Ein Schnappschuss ist für mich nicht so negativ wie es klingt.

 

Frage: Fotografieren Sie lieber im Studio oder außerhalb?

 

Annette Koroll: Eigentlich lieber im Studio. Es ist einfach etwas ganz Anderes. Man hat im Studio einfach mehr seine Ruhe und seine Nähe zueinander als Draussen. Ich fotografiere auch gelegentlich outdoor, das hat auch seinen besonderen Reiz, aber man hat nicht mehr diese intime Nähe zueinander. Ich fotografiere draussen dann auch lieber mit einem Teleobjektiv und bin weiter weg.

 

Frage: Sie fotografieren auch oft Paare und Familien. Wie bekommen Sie da den „richtigen Moment“ hin, also den Eindruck, dass ein Foto überhaupt nicht „gestellt“ wirkt – obgleich es das ja in der Wirklichkeit fast immer ist?

 

Annette Koroll: Ich glaube schon, dass ich viel von den Paaren oder einer Familie mitbekomme, wenn die so eine halbe Stunde vor der Kamera sind. Generell fotografiere ich Familien auch lieber im Stehen. Gerne auch Ganzkörperfotos. Meistens sage ich zu ihnen: „stellt Euch mal auf, macht mal!“ Und wie sie sich dann hinstellen ist meistens schon ganz gut. Das sagt manchmal schon eine ganze Menge über das Paar oder die Familie aus. Man bekommt gerade über Paare sehr viel mit, indem man einfach beobachtet, wie sie sich vor der Kamera geben, wie sie miteinander umgehen. Und das versuche ich auch mit der Kamera zu transportieren. Ich gebe keine vorgefertigten Posen vor, im Gegenteil Ich schaue immer erstmal was das für Menschen sind. Oft kennt man sie ja auch schon und sie haben vorher auch schon mal mit mir gesprochen. Dann kann man sich vorher schon mal darauf einstellen und sich etwas überlegen. Paare zu fotografieren ist natürlich ganz anders als einen einzelnen Menschen zu fotografieren – und eine ganze Familie ist noch mal etwas völlig anderes. Aber ich komme mir dabei überhaupt nichts als „Fremdkörper“ oder als störend vor. Der große Vorteil vom Fotografieren im Stehen ist die Tatsache, dass man in Bewegung sein kann, sich bewegen kann. Ganz anders als im Sitzen. Die meisten Menschen werden gerne von mir fotografiert. Vielleicht habe ich einfach das Glück, dass zu mir Leute kommen, die den Stil meiner Fotos gut finden und den gleichen Anspruch wie ich haben. Die wollen einfach nicht in einer „konventionellen“ Form fotografiert werden. Davon abgesehen finde ich einfach, dass die meisten Leute sehr gut aussehen. Ich habe wirklich viele überdurchschnittlich gut aussehende Kunden (lacht)!

Melli

Bei Portraitfotos gefallen mir auch besonders die schwarz-weiß Aufnahmen und die wirklich natürlichen Fotos. Alles was zu sehr mit Schnickschnack drumherum „Inszeniert“ worden ist, finde ich weniger schön.

Marius

Als Fotograf mit eigenem Fotostudio kann ich die Aussagen von Annette Koroll voll unterschreiben. Das Interview hätte auch ich geben können. Weniger ist offt mehr und die schwarzweiß Fotografie lässt vieles entdecken und erahnen, ist gleichzeitig weniger und mehr als Farbfotografie. Portraitfotografie kann Leidenschaft sein und sollte es auch, wenn sie eine Wirkung beim betrachter erzielen soll.